Stuttgart 21

Einige Vorbemerkung zu diesem Thema.

Am 15. 06.1988 wurde auf meine Anregung eine Bürgerinitiative "Unteres Filstal" gegen die Schnellbahntrasse im Filstal gegründet. Die Gründungsmitglieder sahen es als ihre Aufgabe an, die Bürgerinnen und Bürger der betroffenen Städten und Gemeinden darüber aufzuklären, was auf sie zukomme, wenn die bestehende Filstaltrasse von zwei auf vier Gleise erweitert werden sollte. Wenn der Gleiskörper durch das Neckar- und Filstal von 11 m auf 25 m verbreitert würde.

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Die Diskussionen erstreckten sich nicht nur über die Breite des Gleiskörpers und den dadurch erforderlichen Baumaßnahmen die in den privaten Bestand der Bürger eingriffe, sondern auch über die erforderlichen Lärmschutzmaßnahmen, die bei der genannten Breite des Gleiskörpers und bei der vorhandenen Tallage der Gemeinden, dem Bürger nicht gewährleistet werden könne. Es war auch zu dieser Zeit den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern nicht vermittelbar eine Schallschutzwand durch das Tal zu führen, die zwischen 6 und 10 m hoch sein würde?

Die Bundesbahn favorisierte damals eindeutig diese Trassenführung. Einige Kommunalpolitiker, Mitglieder des Kreistages, Mitglieder des Landes und Bundestages vertraten lange Zeit diesen Überlegungen. Die Gründe hierfür lagen in den Überlegungen zur S-Bahn. Diese teilweise falschen Überlegungen werde ich in einem anderen Zusammenhang erläutern.

Es gab auch damals schon Befürworter dieser Trasse, wie heute auch, nicht als betroffene Bürger, sondern weit ab von der Trasse wohnend. Auch gab es dort schon kluge Leute, die viel von Umweltschutz, Lärmschutz, Schutz der Bürger sprachen, aber wie jetzt auch in diesem Zusammenhang, diese sonst so lauthals geforderten Rechte der Bürger plötzlich nicht mehr kannten.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch mit vielen falsch gemachten Aussagen, die seit einigen Monaten verbreitet werden, aufräumen. Es trifft schlicht und einfach nicht zu, dass die Bürgerinnen und Bürger und auch die interessierten Personen nicht richtig oder nicht rechtzeitig von den Planungen und Überlegungen zum Projekt Stuttgart 21 unterrichtet worden seien. Auch wenn es noch so lauthals immer wieder wiederholt wird, es entspricht nicht der Wahrheit.

Presseberichte in verschiedenen Zeitungen über Veranstaltungen zu diesem Thema liegen mir heute noch vor. Wer interessiert an dem Thema war, konnte sich informieren. Solche Veranstaltungen in vielen betroffenen Gemeinden mit Vertretern der Bahn, mit Politiker, mit den Befürwortern und Gegnern der Schnellbahntrasse waren anwesend. Es wird Zeit, dass diese Märchenstunde beendet wird.

Was noch erwähnt werden muss ist die Tatsache, dass bereits Ende der 70er Jahre über diese anstehenden Baumaßnahmen diskutiert wurde und verschiedene Zeitungen auch darüber immer wieder berichteten.

Die Bürgerinitiative wurde 1988 gegründet, weil zu erkennen war, dass der Bürgerwille von vielen Entscheidungsträger zwar gehört aber nicht beachtet wurde. Die Arbeit der Bürgerinitiative, mit einigen tausend Unterschriften von Stuttgart bis Ulm erhielten Gewicht durch Veranstaltungen, Presseinformationen, Straßendiskussionen, Handzettel und über 150 Briefe an Politiker und Institutionen. Es kam zu einer große Mehrheit in den betroffenen Städten und Gemeinden und in deren Gemeinderäten. Auch die große Mehrheit der Mandatsträger in den Kreistagen und im Landtag sprachen sich nach und nach für die Schnellbahn-Trassen Lösung aus. Viele Institutionen hatten sich in der Zwischenzeit ebenfalls für Stuttgart 21 ausgesprochen. Ich nenne gerne einige davon. Es waren IHK Stuttgart, Handwerkskammer Stuttgart, Landesverband des BUND u. v. A.

Nachdem über mehrere Jahre hinweg die gefallenen Entscheidungen weiterhin nicht mehr in Frage gestellt wurden. Auch bei Gerichtsentscheidungen in einzelnen Streitfällen im Grundsatz keine Veränderungen eintraten, lösten wir 1994 die Bürgerinitiative auf. Wir waren, zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern des Neckar- und Filstals überzeugt, dass alle Beteiligten zu ihren Entscheidungen stehen würden.

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Dass nach 22 Jahren z.B. der BUND heute nicht mehr zu seiner Entscheidung stehen will - die er 1988 mitgetragen und sogar gefordert hatte, ist für mich nicht nachvollziehbar. Hier spielen offensichtlich andere Überlegungen eine Rolle. Anders ist dies nicht erklärbar. Aber der Mai 2011 geht auch vorüber.

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Nach dem heutigen Kenntnisstand würde die Bürgeriniative mit Sicherheit nicht mehr aufgelöst. Um die Interessen der betroffenen Bürgerinnen und Bürger im Neckar- und Filstal zu vertreten werden wir uns erneut zusammenschließen. Die Vorbereitungen für Veranstaltungen und Unterschriften-Listen laufen bereits an. Wir rufen die Bürgerinnen und Bürger der betroffenen Städten und Gemeinden auf sich wieder daran zu beteiligen.

Unterschriftslisten können ab sofort angefordert werden.

Noch etwas zu den Kostensteigerungen.

Projekte, die eine solche lange Zeit in den vorbereitenden Überlegungen und in den Planungen sind werden immer teurer werden je länger und je mehr sie durch Veränderungen und Überplanungen verändert werden. Teurer natürlich auch durch Verzögerungen sowohl durch Umplanungen, technische Neuentwicklungen u. v. A.

Bei Kritik an der Wirtschaftlichkeit eines Projekts, so wie auch an diesem Vorhaben, darf der Blick auf die Anforderungen und die schwierige Topographie auf dieser Neubaustrecke nicht unberücksichtigt bleiben. Ich teile die Meinung derer die erklären, wenn eine Wirtschaftsberechnung der entscheidende Maßstab zur Verwirklichung eines Vorhabens von überregionaler Bedeutung wird, werden notwendige Maßnahmen grundsätzlich in Zweifel gezogen. Dies natürlich besonders in Ländern wie z.B. Bad-Württemberg oder Bayern. Fortschrittliche und langfristige Projekte wären nur noch auf ebenen Landstrichen möglich.

Dies ist im jedermann bekannt und taugt deshalb auch nicht zu lautstarken Auseinandersetzungen.

Man kann durchaus Prüfungen vornehmen, aber auch hier ist Sachlichkeit gefragt. Wenn aber jemand auf dieser Schiene besonders Dampf ablässt und dadurch besondere Aufmerksamkeit auf sich ziehen will darf in seinem Hause nicht angreifbar sein.

Hier stimmt mich ein Artikel aus "Der Steuerzahler Baden-Württemberg" - Die öffentliche Verschwendung 2010 - nachdenklich.

In Tübingen gab es vor einiger Zeit Unmut und Kopfschütteln wegen der Umgestaltung der Mühlstraße und den damit verbundenen Komplikationen sowie Kostensteigerungen. Die Kosten für die Gesamtmaßnahme belaufen sich nach Auskunft der Stadt auf 2.374 Mill. Euro. In der Beschlussvorlage im Nov. 2008 ging man dagegen noch von 1,444 Mill. aus.

Immerhin eine Kostensteigerung von fast 70 %. Herr Oberbürgermeister .

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Wie kam es eigentlich zu den Trassengegenüberstellungen

Seit mehr als 30 Jahre wird über mögliche schnelle Verbindungswege der Deutschen Bahn zwischen Paris - Karlsruhe - Stuttgart - Ulm - München - Wien diskutiert. Ich möchte hier nur auf den Abschnitt Stuttgart - Ulm eingehen. Obwohl es reizt die Argumente der Trassengegner aus zwei Abschnitten zu vergleichen, um die ihre eigenen Widersprüche darzustellen.

Die Bundesbahndirektion Stuttgart warb Anfangs eifrig für den Ausbau der vierspurigen Trasse durch das Neckar- Filstal - über die Geislinger Steige nach Ulm. Herr Prof. Kritian (K-Trasse) der Deutschen Bahn wurde von der neuen Verkehrsführung von Prof. Heimerl (H-Trasse) erst überzeugt, als er bei Veranstaltungen mit den Bürgerinnen und Bürgern im Filstal auf massiven Widerstand stieß. Veranstaltungen die in fast allen Städten und Gemeinden im Filstal stattfanden. Bei solchen Veranstaltungen wurde auch über die Anbindung an die S-Bahn auf den vorhandenen zwei Gleisen berichtet, und dass dies möglich sei, wenn Hochgeschwindigkeits- und Durchgangsgüterverkehr auf die Neubaustrecke verlagert werden.

Viele Bürgerinnen und Bürger der etwa 160 000 Einwohner (Stand 1988) des Filstals brachten deutlich zum Ausdruck, dass sie eine stärkere Lärmbelastung nicht akzeptieren werden. Die zu dieser Zeit gegründete Bürgerinitiative verstärkte den Druck auf Bahn und Politik.

Es gab Gespräche mit Politiker aller Parteien und auf allen Ebenen der Politik. Wie sich der Wandel vollzog zeigt am besten eine Darstellung aus einem Flugblatt von uns, vom März 1990.

Der Präsident der Bundesbahndirektion Stuttgart, Dr. Ulf Häußler, zur Heimerl Trasse:
1988 ….sehr schwierig und wirtschaftlich nicht vertretbar.
Anfang 1989 ….Außerordentlich interessante und ernst zu nehmende Variante.

In einem weiteren Flugblatt von uns aus dem Jahre 1990 wurden einige Gesichtspunkte erläutert die auch nach 20 Jahren ihre Gültigkeit nicht verloren haben. In einem persönlichen Gespräch mit Herrn Prof. Heimerl konnten wir uns davon überzeugen, dass sein Gutachten von 1987 und seine Denkschrift vom August 1988 von uns richtig interpretiert wurde.

Nochmals die vier Gesichtspunkte für die siedlungsferne H-Trasse:

1. Überholtes Bahnkonzept Die kurvenreiche, enge Bahnlinie ist auch im Filstal ein Relikt aus den frühen Jahren der Eisenbahn und ermöglicht- trotz Milliardenaufwand- auch in Zukunft keinen, den heutigen Anforderungen gerecht werdenden schnellen Personenverkehr mit der Option für schnellen, leichten Güterverkehr. Es ist auch vorstellbar, dass in Zukunft, aufgrund stärkerer Loks auch zusätzlicher Güterverkehr über eine Neubautrasse abgewickelt werden kann. Die Bahnplanung würde einen nicht mehr korrigierbaren Langsamfahrabschnitt von 60 km Länge beinhalten.

2. Verbesserung des Nahverkehrs ohne große Baumaßnahmen im Filstal möglich Nach dem vom Kreis Göppingen/Regionalverband in Auftrag gegebenen Gutachten hat Prof. Heimerl eindeutig ausgeführt, dass mit der Verlagerung der Züge, die im Raum Göppingen/Geislingen keine Verkehrsfunktion erfüllen, so viele freie Kapazität auf der bestehenden Strecke entsteht, dass neben dem Interregio und dem verbleibenden Güterverkehr die untersuchten Taktverkehre des Nah- und Regionalverkehrs eingeführt werden können. Die angestrebte S-Bahn- Weiterführung nach Geislingen setzt also keineswegs -wie fälschlich berichtet - den viergleisigen Ausbau im Filstal voraus.

3. Nicht lösbares Lärmproblem Nach Expertenmeinung gibt es bei einem viergleisigen Ausbau im Filstal keinen wirk-samen Lärmschutz, denn eine weitgehend durchgängige Schallschutzwand, höher als Gefängnismauern von 30 km Länge ist unvorstellbar. Niemand kann uns bisher erklären wie hier ein Lärmschutz aussehen soll.

4. Umweltgesichtspunkte Die Bündelung von Verkehrswegen, wie hier einer zweigleisigen Eisenbahn-Neubaustrecke, mit einer Autobahn und das weitgehend im ökologisch toten Streifen neben der Autobahn, ist doch nicht gleichzusetzen mit einer "Neutrassierung in freier Landschaft", wie es die Bahn mit der sogenannten Voralb-trasse (Plochingen, Hochdorf, Schlierbach, Süßen) ursprünglich plante. Als der frühere Projektleiter, Prof. Watzlaff, für die letztgenannte Trasse plädierte, war das enge, dicht besiedelte Filstal für ihn/Bundesbahn für einen Ausbau nicht geeignet. Wie sie alle wissen, war später auf einmal das Filstal für zwei weitere Gleise geeignet. Weitere, vor allem hydrogeologische und wasserwirtschaftliche Probleme, die sich im Bereich Süßen-Günzburg ergaben, können durch die Autobahntrasse vermieden werden.

In diesen Fakten lagen für den BUND auch die Gründe, weshalb er sich bereits 1988 für die Heimerl-Trasse aussprach.

Lassen sie mich noch einige Überlegungen zu der Forderung nach einem Volksentscheid darstellen.

Bei den bisher gelesenen Begründungen von Befürworter für einen Volksentscheid fällt mir auf, dass die meisten die bisher in verantwortungsvollen Positionen in Parteien oder Parlamenten standen und sich bisher auch für die Lösung Stuttgart 21 ausgesprochen hatten, jetzt plötzlich nicht mehr offen zu ihrer bisherigen Meinung und Verantwortung stehen und die Entscheidung auf eine andere Entscheidungsebene abwälzen wollen. Was soll der Bürger und Wähler von solchen Entscheidungsträgern halten.

Gerade dieser Personenkreis hatte zumindest 25 Jahre Zeit seine sich zu äußern und Entscheidungen zu beeinflussen. Wenn ihnen nach dem Spatenstich und in der jetzigen Situation plötzlich etwas auffällt war die Mitarbeit sicherlich nicht von großer Bedeutung.

Fraglich ist auch, wie gerecht ist eine solche Bürgerbefragung landesweit. Welches Interesse hat zum Beispiel eine Bürgerin oder Bürger im Schwarzwald oder Odenwald wegen des Baus der Trasse über die Schwäbische Alb? Oder sollen dann z.B. in Zukunft die Bürgerinnen und Bürger im Hohenlohe-Kreis abstimmen, wenn am Bodensee eine Strandpromenade mit einem Segelhafen gebaut werden soll?

Wo bleiben dann die Bürgerinnen und Bürger die von einer solchen Maßnahme be- troffen werden? Haben sie überhaupt eine Chance der Anhörung? Ich glaube die Bürgerinnen und Bürger haben dieses Spiel schon längst durchschaut und erwarten von ihren gewählten Volksvertretern eine klare Aussage und Standhaftigkeit und kein Äußerungen je nach Wetterwechsel. Unsere Demokratie lebt nicht davon, dass diejenigen recht bekommen, die am lautesten schreien.

Wenn nach 25 - 30 Jahren Entscheidungen gefallen sind, die auch in allen parlamentarischen Gremien mit großer Mehrheit getragen werden und auch vor Gericht solche Entscheidungen anerkannt werden, dürfte nach demokratischen Grundsätzen auch bei einer unterlegenen Minderheit kein solches Verhalten aufkommen. Wenn in Deutschland Großprojekte überhaupt noch angesprochen werden können, dürfen sich solche Scheingefechte nicht mehr wiederholen. Vor allem nicht, wenn Entscheidungen zwanzig und mehr Jahre zurückliegen, die Planungen abgeschlossen sind und der erste Spatenstich getan wurde.

Noch ein paar Sätze zu der Schlichtung mit Dr. Heiner Geissler.

Für die Bürgerinnen und Bürger im Filstal ist es wichtig, dass die Gegner von Stuttgart 21sich endlich in der Frage der Neubautrasse Stuttgart - Ulm eine klare Aussage machen d.h. sich endlich festlegen was sie wollen. Es kann nicht sein, dass jeder der Teilnehmer vor der Fernsehkamera etwas anderes erklärt. Wenn der ehemalige Bundestagsabgeordnete Conradi bereits - nach seiner eigenen Aussage vor laufender Kamera - bereits Wetten abgeschlossen hat, dass die Autobahnnahe Trasse nicht gebaut wird, dann sorgt das zwar für seine Person für Klarheit, aber wenn er dies so offen ausspricht, dann zeigt dies, dass seine politischen Mitstreiter zumindest ihn stützen, solange ihm nicht deutlich widersprochen wird.

In noch folgenden Informationen werden wir unser besonderes Augenmerk auf die Diskussionen zur Neubaustrecke Stuttgart - Ulm richten. Wenn auch in den bisher erfolgten Diskussionen bei der Schlichtungsrunde ein Zusammengang von Neubautrasse und Kopfbahnhof oder Durchgangsbahnhof und Neubautrasse immer wieder unterschiedliche Meinungen aufkommen. Nicht selten wird auch so getan, als ob die Tieferlegung des Bahnhofes Stuttgart eine kurzfristige Erfindung sei. Nach Presseberichten vom Okt. 1988 waren diese Überlegungen bereits zu dieser Zeit aktuell. Es wäre demnach seit 22 Jahren möglich gewesen, dazu Stellung zu nehmen.

Herbert Sachsenmaier

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 Pressebericht Vorwort    Presseberichte vom 03.12.2010    Presseerklärung vom 07.12.2010